Jazziges Euro-Feeling / Autor: Udo Eberl | 28.09.2010
Einen Jazzgenuss-Abend der Extraklasse, nicht weniger, erlebten die Besucher des Konzerts mit den bulgarischen Musikern Vladimir Karparov und Antoni Donchev im Stadthaus - und feierten das Duo entsprechend.
"Go east - aktuelle Musik aus Osteuropa" heißt die derzeitige Reihe des Vereins für moderne Musik und des Ulmer Stadthauses. Genau dieser Titel führte beim Konzert des Duos Vladimir Karparov / Antoni Donchev vielleicht ein wenig in die Irre, denn diese Herren hatten keineswegs vor, die etwas ausgeleierte Schublade mit Balkan-Klischees aufzuziehen. Vielmehr wollten sie unter Beweis stellen, dass das europäische und globale Miteinander zumindest musikalisch langst hörbare Früchte trägt.
Eigens aus Sofia eingeflogen, servierten die Musiker in perfekter Balance Jazz mit großen Harmoniebögen, der über weite Strecken auch ohne, aber eben auch durch die Farbigkeit der Volksmusik Bulgariens zum bunten und funkensprühenden Spektakel wurde. Am Anfang gabs mit reichlich "Mischmasch" zwar virtuos aufgepeppte Folkrasanz in Jazz zu hören, doch schon hier wurde klar: Noch beeindruckender als diese gemeinsamen Notenritte waren die Feinheiten im Spiel. Der in Berlin lebende Karparov spielte ein stets singendes Sopransaxophon, klanglich mal nahe an der Klarinette, dann in bester Tradition der großen Sopranisten aus den USA oder europäischer Nordländer. Antoni Donchev, der Leiter der Bigband des Bulgarischen Rundfunks, aber auch ein nicht nur in der Heimat gefragter Film- und Theatermusiker, verstand es, dem Flügel bewegende Harmonik und Klanglandschaften zu entlocken, die nicht immer zwingend dem Südosten Europas zuzuordnen waren. Mit fliegender Leichtigkeit unterstützte er den Saxer an seiner Seite, packte mit der linken Hand den Jazz-Groove aus und war für jeden noch so harten Break oder Rhythmus-Wechsel zu haben.
Verlassen konnte er sich auf den Bläser nicht nur im lyrischen "Haus Nummer 13" oder im "E-Tango", der den Namen nicht von ungefähr trug. Karparov schnalzte und gackerte rhythmisch wie ein treibender Perkussionist oder gab am Tenorsax den Bassisten, um den Sound zu komplettieren. Ein starkes Duo, das den "Gypsy Smile" mit viel Verve skizzierte, ohne dabei in die Balkan-Falle zu treten. Auch bei der Bearbeitung des Alltime-Klassikers "Take Five" gab es neue Seiten zu entdecken, als die wunderbare Melodie fast herausgestolpert wurde. All das virtuos, großartig eingespielt, aber ohne jegliche Lust an der übertriebenen Selbstdarstellung. Alles für die Musik. Und als mit "We are the Barbarians" ein weiteres mitreißendes Stück Musik voller Wildheit mit sich überschlagenden Saxophonsounds und orkanhafter Verve vom Flügel mit reichlich Augenzwinkern zelebriert wurde, hatte dieses Spitzenduo sein Publikum längst in der Tasche und bewiesen: Balkan-Jazz kann auch ganz anders klingen.